KUNST GEFÄLLIG oder KUNST KONTROVERS
„Nein, die Malerei ist nicht dazu da, die Appartements zu schmücken. Sie ist eine Waffe zu Angriff und Verteidigung gegen den Feind.“
Pablo Picasso
Diese Bilder suchen einen geeigneten Raum, um gesehen zu werden.
Kunst Kontrovers bedeutet eine Kampfansage an den Kunstkapitalismus
Es gibt schon genügend Dekobilder oder Innenarchitekturmätzchen, die sich nichtssagend hinter einer kaum noch zu erklärenden Ästhetik verstecken und keine Stellung beziehen, wenn es um die Probleme und Herausforderungen unserer Gesellschaft geht.
Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind.“
Käthe Kolwitz
„Kunst kann nicht modern sein; Kunst ist urewig.“
Egon Schiele
Was ist Kunst? Wer entscheidet, was Kunst ist und welche Netzwerke, welche Koryphäen oder Influencer sorgen dafür, wie Kunstwerke und Künstler in die vorderste Reihe aller Bildenden Künste gehoben oder erhoben werden.
Waren die Bilder der abstrakten Expressionisten aus den USA wie die von Jackson Polock, Franz Kline, Mark Rotho, Willem de Koonig, Barnett Newman oder der in Deutschland wirkenden Karl Otto Götz, Hans Hartung, Emil Schumacher oder Willi Baumeister rein formalästhetisch und thematisch eher berufen, in den Kunstolymp der westlichen Welt empor gehoben zu werden als 90 Prozent aller anderen Künstler, die stilmäßig ebenso arbeiteten oder gearbeitet haben? Eine Frage, die wahrscheinlich nur durch günstige Umstände, riichtiger Zeit und richtiger Ort, Koinzidenzen, Machtfülle und strukturelle Hierarchien des Finanzkapitalismus gelöst werden kann.
Die abstrakten Expressionisten aus Deutschland suchten nach den Schrecken und Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges mit der Ekel erregenden „Blut-und-Bodenkunst“ wie der verfemten „Entarteten Kunst“ nach neuen Wegen, die alles Figürliche oder Realistische bewusst ausklammerten, um nicht in den Verdacht zu geraten, irgendwie in einen Vergleich zu rutschen oder gar als Verräter an der Kunst als solche bezeichnet zu werden.
Kunst ist immer politisch, auch wenn sie scheinbar als gegenstandslos nur dekorativ wahrgenommen wird und gerade am Beispiel des abstrakten Expressionismus können Kunstinteressierten erkennen, warum und wie die sogenannte zeitgenössische Kunst seit 1950 in die Museen und in die architektonisch großzügigen Säle der Wohlhabenden und Einflussreichen einkehren konnte.
Johannes Grützke, der in der Frankfurter Paulskirche das kollosale Rundgemälde der ersten demokratischen Versammlung Deutschlands figürlich eindrucksvoll präsentierte, ist schon verstorben, wurde aber schon zwanzig Jahre zuvor von vielen Experten ins Vergessen geschickt. Grützke war Mitbegründer und bekanntester Maler der Schule der Neuen Prächtigkeit und galt als einer der intelligentesten und politischsten Künstler der westdeutschen Kunstszene.
In der DDR galten die figürlich malenden Künstler Willi Sitte, Werner Tübke, Bernard Heisig und Wolfgang Mattheuer als Stars und Unterstützer der sozialistischen Gesellschaft, auch wenn die Werktätigen des Arbeiter- und Bauernstaats deren Kunstwerke als verlogene Propaganda verurteilten, weil sie der Meinung waren, instrumentalisierte Opfer ihrer miesen Verhältnisse missbraucht zu worden zu sein. Die bundesdeutschen Medien verspotteten sie als Staatsmaler, weil sie angeblich den Sozialismus thematisch verherrlichten. In diesem Sinne waren sich die Kunstkritiker einig, deren Kunstwerke als banale, aber begabte Pinselübungen abzuqualifizieren. Erst nach der Wiedervereinigung begriffen viele, dass diese Künstler nicht nur oberflächliche Staatspropagandisten waren, sondern hintergründige und stilistische Meisterwerke geschaffen hatten. Wer das raumfüllende und unvergleichliche Rundgemälde von Werner Tübke in Bad Frankenhausen in der eigens dafür gebauten Rotunde einmal sah und sich einigermaßen in deutscher Geschichte auskannte, fand in den Figurengruppen und in den Geschichtsszenen ein kritisches und genau recherchiertes Gemälde über den Bauernkrieg und den Reformer Thomas Münzer. Das Werk eines Meistermalers, aber ein bei uns in der BRD politisch „Verfemter“, der als Freund des ZK der SED verunglimpft wurde. So wie die Nazis die deutschen Künstler der 20er und 30er Jahre in den Dreck zogen, so zogen einige westdeutsche Kritiker über die DDR-Kunst her. Nach dem Mauerfall, dauerte es noch sehr lange, bis die Riege der ostdeutschen Künstler so gewürdigt wurde, wie sie es verdienten.
Heute finden alle seriös urteilenden Kunstexperten diese Abscheu nur beschämend und als politische Kritik im Sinne des kalten Krieges, die bewusst von der Bonner Regierung ausgeschlachtet wurde.
Als dann aber der Höhenflug der Maler der sogenannten Leipziger Schule mit ihrem Starmaler Neo Rauch in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts auftauchte, hypte man den Schüler von Arno Rink und Berhard Heisig als Genie eines neuen fantastischen Poprealismus. Die Preise seiner Werke stiegen sehr schnell in schwindelerregende Höhen. Mit der Kunst ehemaliger DDR-Bürger war die figürliche Malerei wieder angesagt und eroberte die Herzen und Geldbeutel der Sammler, Kuratoren, Galeristen und Museen. Rauchs figürlich angelegte Großgemälde wurde von der Kunstkritik als Geniestreich gefeiert. Allerdings führt die Hitliste der best verkauften Malerinnen immer noch der 90jährige Gerhard Richter an, der aus Sachsen in die BRD flüchtete und höchstem Ruhm ernten konnte. Richter erschuf seit 30 Jahren fast ausschließlich Abstraktionen und bewegt sich stilistisch im Kreis. Aber ein einmal eingebrannter Nimbus verblasst nicht so schnell. Wie bei Picasso, Dali, Braque, Twombly oder Mondrian, aber das gehört zur Heterogenität der Kunst und ist für die Werke all dieser Künstler in ihrer Kreativität und Qualität nach meiner Meinung unangreifbar.
Wer aber qualifizierte die Künstlergenies, wer konnte so viel Einfluss und Kontakte ausnutzen, um einen Künstler oder eine Künstlerin in den Olymp des MoMa, des Centre Pompidou oder der Tate Modern zu hieven? Die Antwort liegt neben der Macht der Medien im neoliberal gelenkten Kunstmarkt, der von Finanzoperateuren der mächtigen Großbanken und deren Hedgefonds gekapert wurde. Dass nur die Superreichen und Mächtigen die Gewinner der ungebremsten Finanztransaktionen sind, kann nur ein Teil vieler möglicher Erklärungen sein, obwohl Geld und Macht die Kunstszene inzwischen beherrscht. Bedeutend unbegreiflicher und teilweise verstörender erscheint mir seit vielen Jahren die Performance- oder Konzeptkunst, die vor allem auf den Biennalen und großen Kunstevents gezeigt werden und für sich den Anspruch erheben, politisch, kritisch, aufklärerisch oder verändernd zu sein. Meines Erachtens und das konnte ich auf der documenta in Athen beobachten, verstand ein Großteil der Besucher nicht im Geringsten, was der Künstler oder die Künstlerin mit seiner/ihrer oft kryptischen, rohen, oft dilletantischen Aussage überhaupt meinten. Bei jeder Nachfrage erhielt ich fadenscheinige und kryptische Erklärungsversuche, die mit ausufernden Überzeugungsargumenten geradewegs an jeder beliebigen Erklärung entlangschrammten. Auch wenn das sehr subjektiv klingt, weiß ich sehr genau, dass meine Meinung unter den Kunstexperten unmittelbar zerrissen wird. Diese Gegenkritik kann ich aushalten und möchte zu meiner Entlastung erklären, dass es durchaus auch sehr gute Protagonisten dieser Kunstbewältigung oder -überwältigung gibt.
Ich möchte in diesem Sinne die deutschen Maler der Neuen Sachlichkeit wie George Grosz, Otto Dix, Anton Räderscheid, Jeanne Mammen, Felix Nussbaum, Franz Radziwill, Lotte Laserstein, Rudolf Schlichter, Karl Hubbuch und allen anderen dieser Stilrichtung meine Referenz beweisen, weil sie in einer der politisch brisantesten Zeiten deutscher Geschichte unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Machtergreifung der Nazis kritisch, sarkastisch und hintergründig die Zeitgeschichte begleiteten und diese zerrissenen Jahre präzise dokumentierten. Ich liebe diese Kunst und fühle mich dieser Stilrichtung in meinen Bildern verbunden, auch wenn meine Arbeiten von den meisten Betrachtern wahrscheinlich diametral unterschiedlich bewertet werden.
Genauso begleiteten mich die US-Amerikanischen Popartisten Robert Rauschenberg, James Rosenquist, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann, Claes Oldenburg, Jasper Johns, Larry Rivers oder der deutsche Sigmar Polke, der in der deutschen Nachkriegskunst mit seinen ironischen und phanatsievollen Bildern heraussticht.
Der neue Kapitalistischen Realismus der frühen Werke Gerhard Richters, Konrad Luegs und Manfred Kuttners kann in meiner Arbeit leider nicht reüssieren, auch wenn ich für diese Aussage gekreuzigt werden sollte. Das macht nichts, weil jeder Künstler eigene Wege gehen muss und es keiner in der Hand hat, wie man durch seine Kunst das Leben für sich und andere bestreitet oder sichert. Dafür sind alle Collagekünstler des letzten Jahrhunderts meine speziellen Vorbilder, besonders Hannah Höch, Kurt Schwitters, Raoul Haussmann, Juan Gris, Max Ernst und Wolfgang Hildesheimer (wenn er überhaupt dazugehört). Würde ich eine Hitliste der mich anregensten und abstoßenden Künstler oder Künstlerinnen anlegen müssen, wäre wiederum der Aufschrei allerdings wie eine schief und schräg gesungene Verdiarie. Angenehm wären mir immer einige alte griechische und römische Skulpteure und Baumeister, Rembrandt, Jan van Eyck, Ilja Repin, Gustave Caillebotte, Gustave Doré, Gustave Courbet, Jacques-Louis David, Francisco Goya, Michelangelo, Hieronymus Bosch, Joaquin Sorolla, Vincent van Gogh, Edouard Manet, James Ensor, Max Pechstein, Alfons Mucha, Lovis Corinth, Wilhelm Busch, Jean Tinguely, Tomi Ungerer, Diego Rivera, Robert Crumb, F. W. Bernstein, Hans Traxler oder Sigmar Polke, weil die mir auf Anhieb einfallen. Und die anderen, die ich mir nicht so gerne ansehe, werde ich nicht nennen, weil ich bestimmt einige vergessen würde. Jahrelang bin ich durch die Museen Europas gestreift und konnte meine subjektiven Ansichten vor Ort bestätigen. Meine Sicht auf diese Künstler sollen aber kein Wertmaßstab für andere Kunstliebhaber sein, weil ich der Meinung bin, dass jeder, der sich mit Pinsel und Farben, Hammer und Meißel, Tusche und Tinte zu verwirklichen versucht und sich in Exzellenzübungen erprobt, immer die größte Achtung der Gesellschaft verdient. Denn nur die Künstlerinen wissen genau, was es bedeutet, ihr Leben der ästhetischen Umsetzung ihrer Gedanken und Gefühle zu widmen.
Seit 2022 arbeite ich an der Serie „KUNST KONTROVERS“, in der ich die Kontroverse der künstlerisch durch Museen und Kunstauktionen geadelter Objekte, seien es Fotografien, Malereien, Grafiken, Videokunst, Skulpturen, Architekturen, Wandgemälde oder Design durch eine Gegenüberstellung alltäglicher Gegenstände auf den Prüfstand der ästhetischen Wahrnehmung stelle. Indem ich verändere, karikiere, neue Elemente meiner Assoziationen oder Wahrnehmungen hinzufüge, absurde Schleifen drehe oder alles auf den Kopf zu stellen versuche, wage ich die Aussage: „Das ist KUNST“ zu konterkarrieren und zwinge jeden Betrachter sicherlich zu erheblichen Gedankenstürmen oder Gewissenskonflikten. Ich verfälsche bekannte Kunstwerke, indem ich sie nach neuen Kriterien der aktuellen Gender- oder Diversdebatten elementar in Frage stelle und versuche eine Diskussionanzuzettel anzuzetteln. Ob es mir gelingen wird, ist eine ganz andere Frage. Geschichtliche Ereignisse, die nicht jeder kennt oder schon lange vergessen sind, bilden eine weitere Komponente in KUNST KONTROVERS. Aber auch seltene Fundstücke, die jeder übersieht oder ignoriert, wenn sie oder er Stadtlandschaften erkunden, gehören dazu.
Städte müssen planmäßig erlaufen werden und durch Bücher Wissenserweiterung finden. In urbanen Landschaften muss auch das zitiert und gezeigt werden, was keiner sieht, was keiner sehen will, was aber für den Charakter jeder Stadt von größte Wichtigkeit ist. Wieviele Kilometer ich durch Arles, Barcelona, Madrid, Wien, Beziers, London, Florenz, Köln, Marseille, Venedig, Ravenna, Paris, Perpignan, Athen und Piräus gelaufen bin, kann ich nicht mehr genau sagen, wie auch, denn während meiner Fotoexkurse oder Flanierungen verfüge ich über keinen Kilometerzähler, aber abertausende Fotos beweisen, dassdie ich in jeder dieser Städte geschossen habe, sprechen eine eindeutige Sprache. Für mich ist die Beschäftigung mit Kunst die Aneinanderreihung von Fragen, die neue Fragen auswerfen, von Assoziationen, die meine Arbeiten jeden Tag bereichern und in meine Bilder einfließen.
Warum wird das eine als Kunst von Experten, Kuratoren oder Sammlern über alle Maßen in den Himmel gehoben und das andere als Unsinn oder Banalität bezeichnet? Warum wird das Eine übersehen und das Andere in allen Museen gezeigt? Warum nennt der der Eine Villen, Yachten und Ländereien sein eigen und warum weiß der Andere nicht, wie er sich seine Arbeitsmaterialien Farben und Pinsel kaufen kann.
Werden meine Kunstgriffe der Veränderungen in meinen Bildern KUNST-KONTROVERS überhaupt wahrgenommen oder werden sie als unverständlich bei Seite geschoben. Was ist Kunst und ist die Kunst, die in den Museen, Galerien und Kunstvereinen hängt, wirklich die Kunst, die einer allgemeinen Beurteilung in Ästhetik, Formgebung und Thematik standhalten kann oder unterliegt sie nur willkürlichen Entscheidungen wissenschaftlich anerkannter oder selbst ernannter Experten, Galeristen, Sammler oder Medienkritiker? Oder ist die Kunst, die über einen Wert definiert wird, lediglich das Objekt von Finanzspekulationen, deren Aufgabe es ist, weitere Wertsteigerungen zu erzielen?
Das beschäftigt mich und ich werde meine Anschauungen über Kunst im Sinne des Buches von Georg Seeßlen „Geld frisst Kunst, Kunst frisst Geld“ weiterführen.
„Im Gegensatz zur Philosophie sucht die Kunst nicht nach Inseln der Sicherheit, von denen andere Erfahrungen als fantastisch oder imaginär ausgestoßen oder als Welt der sekundären Qualitäten oder des Genusses, des Vergnügens oder des gesunden Menschenverstandes abgelehnt werden können. Kunst radikalisiert den Unterschied zwischen dem Wirklichen und dem bloß Möglichen, um durch eigene Werke zu zeigen, dass es auch im Bereich der Möglichkeiten Ordnung gibt. Die Kunst widersetzt sich, um eine Hegelsche Formulierung zu verwenden, der „Prosa der Welt“, aber genau aus diesem Grund braucht sie diesen Kontrast.“
Niklas Luhmann


















