COLLPOSING IN PORTRÄT
„Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich.“
– Albert Camus
„Wenn du mit deiner Arbeit kein Geld machen kannst, dann musst du sagen, dass es Kunst ist; und wenn du Geld machst, sagst du, dass es etwas ganz anderes ist.“
– Andy Warhol
Seit einigen Jahren versuche ich, das Genre Porträt auf eine andere Weise zu interpretieren, indem ich bekannte Menschen aus Kunst, Musik, Film, Literatur, Philosophie, Politik und anderen Bereichen, in denen ich mich immer wieder geistig oder gefühlsmäßig aufhalte, in meine Technik einbeziehe. Von Anfang bediene ich mich aller mir zur Verfügung sethenden Fotos der betreffenden Personen, deren Konterfeis ich entweder im Internet finde oder als Bilder aus Zeitschriften, Büchern oder anderen Printmaterialien scanne. Auf diese Fundus gestalte baue ich meine Collagen zusammen, indem ich versuche, alles über die zu porträtierende Person herauszufinden, um dessen Leben und Werk visuell so vielschichtig wie möglich zu verdeutlichen.
Während dieses Prozesses wird nicht nur das Gesicht oder der Kopf mit seinem auf mich wirkenden Gesichtsausdruck in allen möglichen Varianten zunächst zusammengelegt, um dann den/die auserwählten Protagonisten+innen neu zu erschaffen. Alles ist wichtig, was ich über Herkunft, Werdegang, Ausrutscher, Prominenz oder Charaktereigenschaften herausbekommen kann und zusätzlich in den Augen der Öffentlichkeit als bewundernswertes oder außergewöhnliches Schaffen ausgezeichnet wird, wird in das Porträt soweit wie möglich integriert. Trotzdem wird am Ende immer ein reduziertes Bild herauskommen, was meiner subjektiven Annäherung entspricht.
In dieser Gestaltungsart arbeite ich spontan, indem ich das Bild eines Menschen, sein Konterfei, seine Visage oder sein Gesicht, (alles auch für Frauen übertragbar) welches ich im Augenblick des Zusammentreffens einer ersten Wahrnehmung als wichtig erachte. Dass ich die ausgesuchten Personen schon aus meiner Beschäftigung mit Kunst, Kultur, Literatur oder Film kenne, fließt in das Bild ein. Betrachte ich ein gedrucktes Bild oder schaue einen Film an, in der die zu porträtierende Person vorkommt oder auftritt, versuche ich auch diese Anknüpfungspunkte einzubeziehen, wahrzunehmen, den Versuch zu wagen, meine Sicht in die Tiefen seiner (ihrer) Gesichtszüge und mein Gefühl meiner Wahrnehmung in einem neu komponierten Porträt sichtbar zu machen. In dieser Arbeitsweise gestalte ich kein der Realität angenähertes mehr oder weniger erkennbares Bild seiner oder ihrer Identität, sondern bediene mich fraktaler oder collagierter Gestaltungsmethoden, die in manchen Bildern nichts mehr mit der Wirklichkeit der Gesichtszüge zu tun haben Ich bediene mich bewusst typografischer Mittel, um typische Aussagen, Gedanken oder Charakterzüge des oder der von mir Erwählten zu seiner Mimik oder seiner Ausstrahlung hinzuzufügen. Jedes Porträt eines in der Öffentlichkeit bekannten Menschen weckt bei den Betrachtenden jeweils unterschiedliche Assoziationen aus, die möglicherweise ein völlig neues Bild des Porträtierten ergeben. So gerät das Porträt als Attribut einer neuen Sichtweise oder als Erinnerungsmerkmal in eine subjektiv gefärbte Beurteilung, die jeden Betrachter zumindest für einen Augenblick ins Nachdenken zwingen.
Die bisher Porträtierten sind aus Film, Fernsehen und anderen Medien weltweit bekannt, auch wenn es sich um Protagonisten einer sehr speziellen Art ihrer Lebensleistung handelt.
Den Philosophen Friedrich Wittgenstein habe ich als exzellenten Denker schon früh in mein Wissenrepertoire aufgenommen, ebenso den Belgischen Künstler René Magritte. Ihn bewundere ich in seiner Art, das Absurde aus dem sogenannten Normalen zu filtern und die Wirklichkeit durch irrationale, aber möglich erscheinende Veränderungen in eine andere Dimension der Wahrnehmung zu verschieben. Er prüft den Sehenden, ob er das, was er sieht, glauben kann oder für widersinnig hält, ohne aber genau entschlüsseln zu können was wahr oder was unwahr ist.
Sigmar Polke, der vor einigen Jahren verstorbene Künstler gehörte seit meiner ersten Sichtbegegnung an zu den kreativen Menschen in der Kunst, der mit seinen Bildern für mich zu den Künstlern gehört, die Ironie und Spaß, Sein und Schein, vergeistigten Unsinn, Vorurteil und Widersinn, Scherz, Satire und unglaubliche Gedanken in seinen Werken mit den unterschiedlichsten Techniken der Gestaltung zu vereinigen.
Lilian Hellman habe ich schon Anfang meiner 20er Jahre gelesen und immer wieder gelesen und immer wieder nach anderen Texten gesucht, weil sie mir als politische Schriftstellerin aus dem Herzen sprach. Die Liaison mit Dashiell Hammett, dem genialen Krimiautor sah ich als beispielhafte Möglichkeit, ein Verhältnis mit einem anderen Menschen tolerant und ehrlich, kontrovers und solidarisch führen zu können.
Chrissie Hynde, deren Stimme mich in den dunkelsten Stunden immer wieder aufrichtete, schätze ich im Prinzip nur für sehr wenige Lieder, die auch aus dem Rahmen ihres Gesamtrepertoires herausfallen. „Hymn to her“, „I´ll stand by you“, „Brass in the Pocket“.
Juliette Binoche ist und bleibt neben einigen anderen lebenden Heroinnen des französischen Kinos, die mich immer wieder verzaubern und verblüffen. Allein der Film „Die Liebenden von Pont-Neuf“ des Regisseurs Leo Xarax haut mich immer wieder um.
Rudi Dutschke war für Jahre ein politisches Idol meiner Studienjahre, ich bewunderte aber mehr seinen Gestus, seine Sprache und seine Performance vor großen Auditorien. Dessen Schriften habe ich gelesen, aber ich weiß nicht mehr viel, weil der Schatten von Karl Marx immer darauffiel.
Wer Bette Davis in ihrem Film „All about Eve“ einmal gesehen hat, will diese Schauspielerin und ihre Filme immer wieder staunend betrachten.
Tilda Swinton ist das Phänomen gegen die eindimensionale Vermarktung der sexualisierten Weiblichkeit im internationalen Filmbusiness und ist in der Lage in jeder Rolle das zu sein, was ihre Rolle mit ihr macht. wysiwyg.